Nordkap 2017 // Alta-Nordkap
Nach der beeindruckenden Mitternachtssonne war der folgende Morgen wieder trüb und regnerisch in Tromsø. Es klarte später erst auf. Unser Tag begann zunächst mit zwei Fährüberfahrten auf der Alternativstrecke RV91, um wieder die E6 bei Olderdalen zu erreichen. Zum einen war da die Strecke Breivikeidet – Svensby und nachher Lyngseidet – Olderdalen. Dabei fiel auf: Es wird nicht mehr draußen bei Ankunft vor der Fähre kassiert, sondern man muss nach Auffahrt auf das Schiff selbstständig den Weg an die Kasse suchen um den Fahrpreis zu entrichten, sonst gibt es Strafe – wieder einen Arbeitsplatz eingespart. Die Fähren fahren zeitlich aufeinander abgestimmt, so dass man die Anschlussfähre auch erreicht, wenn man die Strecke dazwischen nicht in halsbrecherischem Tempo rast. Weiter der E6 folgend, machten wir gegen Mittag einen Abstecher zur Insel Skjervøya (RV866). Diese ist mittlerweile auch durch einen Unterwassertunnel mit dem Festland verbunden. Spektakulär macht diesen Maursundet-Tunnel die kurze Entfernung zwischen den beiden Ufern, es geht sehr steil nach unten und zudem in einer U-förmigen Kurve. Auf 2 km Länge geht es runter auf 92 m unter Meeresoberfläche und anschließend wieder rauf – kurz und steil, beeindruckend. Dort auf der Inselspitze machten wir Picknick und beobachteten Wale in der Bucht.
Später war ein zweiter Abstecher einen Ausflug wert, und zwar zu einer Gletscherzunge des Øksfjordgletschers am Jøkelfjord - der einzige Norwegens der ins Meer mündet. Auch wenn das übertrieben ist, weil der Gletscher sehr weit oben endet und nur der Gletscherabfluss direkt in den Fjord fließt. Bei Altleidet zweigt die Straße nach Jøkelfjord ab, der Weg zum Gletscher ist dann ausgeschildert. Man erreicht einen kleinen Parkplatz, wo sich die Anwohner schon mit deutlichen Hinweisen auf ihr Privatgelände vor zu viel ungebetenen Besuchern zur Wehr setzen (beliebter Wohnmobilplatz). Es geht aber ein kleiner Wanderweg rechts durchs Gelände zu einer Art Aussichtspunkt am Fjord mit Blick zum Gletscher. Dieser ist wie überall in Norwegen schon sehr weit zurückgezogen. Ein schöner Anblick ist es allemal. Wenn man will kann man mit einem Boot bis zum Gletscher fahren, dafür war dort eine Telefonnummer des Anbieters angeschlagen. Lohnt wahrscheinlich eher nicht, mehr kann man nicht machen. Auf der weiteren E6 vor Alta bauen sie jede Menge neue Tunnel um den Weg zu verkürzen, vermutlich damit man dann noch schneller am Nordkap ist. Unsere Übernachtung war in Alta - Alta River Camping. Viele unterschiedliche Arten Hütten mit üblicher Ausstattung auf einem großen Platz. Alta ist ein Versorgungszentrum im Norden, sehr weit verstreut im großen Flussdelta, jede Menge Platz für Angler.
Vor der Weiterfahrt sollte man auf jeden Fall die Alta Felszeichnungen besichtigen - Alta Museum - World Center for Rock. UNESCO Welterbe. Die 1-2 h sollte man auf jeden Fall entbehren können. Die Dauerausstellung gibt eine Einführung in die Bedeutung und Geschichte der bis zu 7000 Jahre alten steinzeitlichen Felsritzungen. Auf dem folgenden Rundweg durch die Felsen werden die steinzeitlichen Bilder in einer kleinen Broschüre oder mittels Audioguide erklärt. Sehr detailreiche Darstellungen der Jagd oder des Fischfangs sieht man da, auch Menschen mit einer Art Ski an den Füßen wurden verewigt. In dem westlich gelegenen Teil sind die Felsritzungen mit Farbe verdeutlicht während sie im östlichen Teil so belassen sind wie man sie vorgefunden hat. Man muss dann schon verschiedene Blickwinkel mit Licht- und Schattenwirkung probieren um die Zeichnungen zu erkennen. Interessante und hochwertige Souvenirs im Shop und ein Café gibt es auch. Die weitere Strecke Richtung Nordkap führte durch interessantes Terrain, Fjells, Wasserfälle, Aussichten. Wir zweigten aber zunächst nach Hammerfest ab, ca. 60 km einfacher Weg ab Kreuzung in Skaidi. Den Weg muss man auch wieder zurück, wenn man nicht dort übernachtet. Aber wir wollten die nördlichste Stadt der Welt sehen, zumindest mal da gewesen sein. Eine schöne Hängebrücke über den Kvalsund wird passiert, anschließend durchfährt man Rentierzuchtgebiet. Vorsicht vor unübersichtlichen, engen Kurven, gerade dort hatten lassen sich die Tiere scheinbar gerne nieder.
Hammerfest hatte im 2. Weltkrieg ein schweres Schicksal, es wurde beim Rückzug der Deutschen komplett zerstört. Die Stadt macht deshalb einen modernen Eindruck. Manche hässliche Bausünde wurde bzw. wird gerade umgestaltet. Man findet nur Parkplatz nur gegen Gebühr. Wir nutzten den Parkplatz am Hafen und besuchten auch die Stadtinfo samt kleiner Ausstellung und den Vereinsräumen des Eisbärenclubs. Eine nette Anekdote: Wenn man möchte kann man in den Eisbärenclub Hammerfest eintreten, bekommt eine Urkunde und ist berechtigt an den jährlichen Treffen teilzunehmen - in Hammerfest natürlich. Wir fuhren schließlich nochmal um den Hafen herum, im Industriegelände auf der Halbinsel Fuglenes steht die Meridiansäule, ein Denkmal für die erfolgreiche Meridianvermessung 1852. Zum Schluss auf den Aussichtspunkt Salen über der Stadt, die Straße führt hinten herum oder man geht zu Fuß vom Zentrum aus. Dort ist auch ein Café (hatte geschlossen) und ein tolles Panorama über Hammerfest und seine Bucht erwartet einen. Nach dem Rückweg führt die Strecke ab Olderfjord zur Nordkapinsel sehr schön am Meer entlang, immer wieder tolle neue Eindrücke ergeben sich. Der Nordkaptunnel kostet seit 2012 keine Maut mehr und führt gut 200m unter die Meeresoberfläche. Anschließend muss noch ein längerer Tunnel auf der Insel Magerøya durchfahren werden.
Gegen Abend erreichten wir unser Quartier, das Nordkapp Vandrerhjem Honningsvåg, ein großer, hoher Bau am Ortseingang, war bestimmt mal ein Fabrikgebäude. Das Zimmer entsprach den Erwartungen, für 3 Personen mit Gepäck schon etwas eng. Küche und Bad gleich im Erdgeschoss und im ersten Stock ein großer Aufenthaltsraum, wo es am Morgen gleichzeitig das Frühstück gibt. Das war sogar inklusive und für Hostelverhältnisse reichhaltig und gut. Wir bereiteten uns in der Küche was zum Abendessen zu und kamen ins Gespräch mit Radlern, die von Deutschland aus 7 Wochen lang mit dem Fahrrad hier hochgefahren sind. Respekt. Eine gruselige Vorstellung wenn ich daran denke, wie man mit dem Fahrrad durch den Nordkaptunnel fahren muss. Gegen 22 Uhr sind wir dann das erste Mal zum Nordkap aufgebrochen. Wenn die Sonne scheinen würde, merkte man nicht, dass es mitten in der Nacht ist - hell wie im Sommer in Deutschland, wenn die Sonne am Nachmittag näher gen Horizont sinkt. Wir zahlten unseren Eintritt am Nordkap und mit diesem Ticket kann man sich 24 h lang sich auf dem Nordkapplateau aufhalten (NOK 635 für die Familie). Ein Wiedereintritt am zweiten Tag ist möglich, man sollte nur darauf achten vor der aufgedruckten Zeit die Kontrollstelle zu passieren. Die Ausfahrt wird nicht kontrolliert, so dass es dann keine Rolle spielt, wenn man die Zeit überschreitet. War bei uns jedenfalls so. Bezahlen muss jeder motorisierte Tourist, Fahrradfahrer werden laut eigener Angabe nicht kassiert. Sollte eine ganze „Armee“ Busse auf dem Parkplatz stehen ist bestimmt ein Kreuzfahrtschiff am Nordkap. Das Busdepot passiert man am Ortsausgang Honningsvåg. Ein paar Tausend Leute oder mehr müssen erstmal mit Bussen transportiert werden, kann man sich vorstellen wie das aussieht. Wir machten die ersten Fotos, sahen uns um und ich probierte den Zeitraffer meiner Kamera aus. Leider überzeugte das Ergebnis nicht, weil es zu windig war und die Kamera im Wind wackelte (das Geländer, wo ich das Stativ festklemmte, schwang zusätzlich bei Erschütterungen mit, merke: stabilere Ecke suchen). Gegen Mitternacht zog es sich zu und es fing an zu regnen. Alle flüchteten ins Nordkap-Haus. So schnell wie der Regenguss kam war er auch wieder weg. Uns reichte es fürs erste, wir hatten ja noch einen zweiten Versuch am nächsten Abend. Wir haben nun auch alles gebraucht was wir dabei hatten: 2 Jacken, Pullover, Mütze, Schal, Handschuhe. Speziell am Nordkap pfeift eisiger Wind.
Nachdem wir eine kurze Nacht hatten, weil wir 1 Uhr erst zurück waren, sind wir gemütlich um 11 Uhr zur Wanderung an das „real“ Nordkap aufgebrochen. Die Felszunge Knivskjellodden, die 1400 m weiter nördlich liegt und wo man nur zu Fuß hinkommt. Zuvor versorgten wir uns in Honningsvåg mit etwas Proviant. Aufgrund der Wegbeschreibung, dass man den Weg mitunter schlecht findet und bei miesem Wetter erst recht die Gefahr besteht sich zu verlaufen, habe ich mir noch im Hostel einen GPS-Tracker aufs Handy geladen samt bereits begangener Route der Knivskjellodden-Wanderung. So hat man zumindest immer einen Anhaltspunkt ob man sich von der Idealroute entfernt und sieht außerdem wie weit es noch ist L. Der Ausgangspunkt befindet sich ca. 6 km vor dem Nordkap. Ein kleiner Parkplatz (Knivskjelodden Trail Parking), ausgeschildert, kann man nicht verfehlen. Das Infoschild war noch ein knappen Meter im Schnee versunken - und das Ende Juni. Der Weg führte über Schneefelder, die, wenn sie fest genug waren kein Problem darstellten. Waren sie aber angetaut tritt man bis auf die matschige Wiese oder den Bach untendrunter durch. Da wir nur mit normalen Wanderschuhen ausgerüstet waren und keine wasserfesten Gamaschen, Hosen oder dergleichen dabei hatten, hieß es um diese Stellen einen Bogen schlagen und weiter ausholen. Das summierte die Wegstrecke aber auch nach oben. Als dieser erste Teil geschafft war befand man sich im felsigen Terrain.
Der Weg ist stets durch große Steinpyramiden gekennzeichnet und er ziiieht sich hin. Ist man über das felsige Gelände hinweg steigt man zum Meer hinunter und erreicht die Küste mit Blick rüber zum Nordkapplateau. Dann sind aber immer noch knapp 2 km bis zur Landspitze zu gehen. Dort befindet sich dann die ersehnte Markierung „nördlichster Punkt Europas“ mit der geografischen Breite 71°11'08" und einem „Gipfelbuch“ in einem Blechkasten. Man befindet sich dort auf der Höhe Südgrönland, Nord-Kanada und der Nordküste Alaskas. Bis dahin gingen wir 3,5 h, es war bereits 14.30 Uhr. Nun das Ganze wieder zurück und das zehrt an den Kräften. Im sumpfigen Teil hatten wir dann keine Nerven mehr die nassen Stellen zu umgehen, also geradewegs drauf zu und sofort waren die Schuhe bis auf die Socken nass. Aber das Ziel, der Parkplatz, war vor Augen - also durch. Völlig zufrieden waren wir gegen 18 Uhr wieder am Auto, nach 7 Stunden und 18 km Gesamtstrecke. Das Wetter war für den Norden bestens, kurzer Regenschauer, windig, aber zum Schluss hin sonnig. Also mehr kann man nicht erwarten. Es ist keine schwierige Wanderung aber zehrend, man sollte nicht zu wenig Essen und Trinken dabei haben, sowie für Wetterumschwünge gerüstet sein.
Nach verdienter Rast im Hostel sind wir gegen 21.30 Uhr erneut, zum dritten Mal, den Weg zum Nordkap gefahren. Der Himmel sah vielversprechend aus. Wir schauten uns zuerst in aller Ruhe die Ausstellung und das Nordkaphaus an, schrieben Postkarten. Diese kamen allerdings erst nach ca. 8 Wochen bei den Adressaten an. Ich dachte, bei den vielen Touristen am Nordkap wird der Briefkasten mindestens täglich geleert, aber scheinbar wohl nicht. Der Film im Kinosaal ist empfehlenswert, ansonsten sollte man nicht zu viel von dem Inneren der Gebäude erwarten. Laut Sonnenstandsberechung war der Tiefststand an diesem 29.6. gegen 0.20 Uhr. Mich hat ein anderer Reisender drauf gebracht: Mitternacht ist nur ein Anhaltspunkt und durch Sommerzeit und unterschiedliche Zeitzonen eigentlich irrrelevant. Ich baute also meine Kamera 25 Minuten vorher auf und erstellte einen Zeitraffer über 45 Min. Die Sonne schaute sehr gut durch die Wolkenschleier hindurch, perfekter „Sonnenuntergang“ für Nordkap-Verhältnisse würde ich sagen. Den Höhepunkt des Menschenansturmes kann man im Video gegen 0.00-0.15 Uhr gut erkennen, danach nimmt es schlagartig ab und man hat gegen 0.45 Uhr bereits das gesamte Plateau für sich. Gegen 2 Uhr ins Bett gefallen.